Sonntag, 15. Juni 2008

Lernen und Schulräume

Kann das visuelle Durcheinander eines typischen Klassenzimmers in der Grund- bzw. Elementarschule Stress verursachen und die Leistungsfähigkeit der Schüler verringern? Henry Sanoff, emeritierter Professor der Universität von North Carolina, USA. Mitglied des amerikanischen Architektenverbandes, hat das beobachtet und riet daher Lehrern in einer Anzahl von Workshops, die er leitete, 90 Prozent des üblichen Wirrwarrs aus den Klassenzimmern zu räumen und zu beobachten, was dann passiert. Das Ergebnis? Die Atmosphäre war viel ruhiger und das Schülerverhalten verbesserte sich deutlich. Bisher gibt es noch keine Studien, die dies belegen, nur Erfahrungswerte. Wo fängt Anreicherung der visuellen Umgebung an und wo beginnt dann der Stress? Handelt es sich diesbezüglich um individuellen Vorlieben oder um universale Prinzipien?

Haben Sie jemals die Wandfarben des Klassenzimmers auf der Grundlage von anderem als den Empfehlungen eines Innenarchitekten oder den Vorlieben von Lehrern ausgewählt. Was wäre, wenn wir die Wirkung bestimmter Farben auf die Gehirne von Kindern kennen würden und herausfänden, ob es wirklich Farben gibt, die das Lernen mehr fördern als andere - und ob die Farben sich verändern, wenn das Gehirn von Kindern sich immer weiter entwickelt?

Wussten Sie das die Gehirne kleiner Kinder Hintergrundgeräusche noch nicht ausschalten können und das Signal, das über diesen Geräuschen liegt, verstehen können? Wie sollte dies die Planung der Lernumgebungen von jungen Schülern beinflussen?

Wenn die Zyklen der Klassenzimmerbeleuchtung sich den Biorhythmen (zirkadianen Rhythmen) anpassen würden, könnte das die Schülerleistungen verbessern?


Diese und andere Frsgen beschäftigen heute Neurowissenschaftler, wie etwa von der Akademie für Neurowissenschaften in der Architektur (ANFA) in San Diego, Kalifornien, die sich mit der Planung von lernfördernden Schulhäusern, wie etwa einer Grundschule, befassen.

Àpropos Grundschule: Die Gehirnentwicklung zwischen dem 5. Lebensjahr und dem 12. Lebensjahr ist sehr bedeutsam und mittlerweile gut erforscht. Kognitionsforscher und Neurowissenschaftler sind fasziniert davon, wie mit jedem neuen Lebensjahr sich die kognitiven Fähigkeiten, sprich: Denken, Lernen, Begreifen, verändern. Sie wissen, dass

a. die Regionen der Primärfunktionen wie Essen, Schlafen usw. (im Gehirn) als erste reifen (z.B. die primären motorischen Funktionen in den dafür zuständigen Bereichen der Hirnrinde)
b. die Regionen für komplexe, integrative Aufgaben und Fähigkeiten später reifen (wie etwa die Schläfenlappen)
c. die höheren Zentren der Schläfenlappen, die die Assoziationsareale enthalten, die die Information aus mehreren Sinnesmodalitäten integrieren sowie die Stirnlappen der Hirnrinde, die wesentliche Exekutivfunktionen wie abstraktes Denken, Entscheidungsfindung, Problemlösungsstrategien, ethisches Urteilen enthalten, ganz zuletzt eigentlich erst bis zum 25. Lebensjahr voll ausgereift sind.

2. Es gibt ein intuitives aber noch nicht sehr gut dokumentiertes Verständnis dafür, dass die die architektonischen Eigenschaften von Klassenzimmern die kognitive, sprich: die Lern-, Aktivität von Schülern beeinflussen können

3. Die neurowissenschaftliche Forschung könnte vermutlich diese Intuition bestätigen – und damit auch die Vorteile von Klassenzimmern aufzeigen, welche die Stadien der Gehirnentwicklung bei Kindern und Heranwachsenden fördern.

Erste neurowissenschaftliche Erkenntnisse zur Architektur von Grundschulräumen haben ergeben:
Längere Aufmerksamkeitsspannen - wie angezeigt durch eine anhaltende Nervenzellen-Aktivität im Gehirn und verminderten Stress (gemessen am Plasmakortisolspiegel, einem Stresshormon) - treten auf, wenn Kinder

— auch Räume oder Zonen der Stille haben,in denen sie Stille erfahren können und die Ablenkung duch Sinneserfahrungen vermindert ist;
— die Lernumgebung beeinflussen können vor Beginn einer Lernaktivität, indem sie z.B. den Stuhl oder Tisch flexibel ihrem Sitzbedürfnis anpassen können;
— sich in einem Raum nahe einer Ecke oder einem Rand lokalisieren können und dennoch den gesamten Raum visuell wahrnehmen und überschauen können;
— Aufgaben im Zusammenhang mit räumlichen Kontrasterfahrungen, also dem Wechsel von Räumen, ausführen können (z.B. in Räumen für Aktivität und Passivität, innerhalb von Schulräumen und draußen an der frischen Luft);
— auch die Gelegenheit haben, Lernerfahrungen und Aktivitäten draußen in der Natur duchführen zu können.

Horizontal angelegte Klassenzimmer und aufgelockerte, organisch arrangierte, also irreguläre oder versetzte Anordnungen von Zwischenräumen durch Sitzmöbel und Schreibtische erhöhen die Aufmerksamkeitsspanne, begünstigen Lernvorgänge und verringern Stress, vertikal angelegte Räume erhöhen Stress.

Räume beeinflussen das Selbstwertgefühl und die Fähigkeit zur Selbstrückbezüglichkeit beim Lernen (Selbstbezug, Vertiefung, Verinnerlichung) von Schülern. Ausreichende Bewegungsmöglichkeiten sowie Wahlmöglichkeiten fördern Lernen.

Den Weg finden durch komplexe Wegführungen (siehe Heckenlabyrinth usw.) kann unter Umständen eine positive Stimulierung für das Gehirn eines Kindes sein und die kognitiven Fähigkeiten verbessern.

Vollspektrumlicht begünstigt das Lernen. Natürliches Licht ist immer lernfördernd.

Keine Kommentare: